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Minergie: Energie- und Klimastandard für Wohnhäuser

Der Verein Minergie startete mit einer Auszeichnung für Niedrigenergiehäuser und erweitert sein Zertifizierungsrepertoire räumlich und funktional. Ab Herbst 2023 wird der Gebäudestandard erstmals die graue Energie bewerten und den sommerlichen Wärmeschutz strenger definieren – neuerdings auch auf Stufe Areal. Zusatzvarianten für die energetische Selbstversorgung oder gesundheitsfördernde, ökologische Bauweisen bleiben bestehen.

Minergie Wohnhaus
Minergie ist ein Qualitätslabel für energieeffiziente Neubauten sowie erneuerte Gebäude.

«Minergie» ist: erstens ein Verein, in dem Bund, Kantone und Privatwirtschaft seit über 20 Jahren zusammenarbeiten. Zweitens ein geschütztes Zertifikat, mit dem ein Gebäude freiwillig ausgezeichnet werden kann. Und drittens ein Standard für das klimafreundliche Bauen, das in Sachen Energieeffizienz und CO2-Emission vorwegnimmt, was künftige Bau- und Energiegesetze verlangen sollen: Gebäude, die neu erstellt oder saniert werden, dürfen faktisch nur noch fossilfrei betrieben und möglichst ressourcenschonend realisiert werden. Kriterien zur Sicherstellung eines hohen Wohnkomforts gehören seit Markteinführung zum Anforderungskatalog. Per Herbst 2023 sollen neue Zertifizierungsregeln eingeführt werden, die den Fokus auf Klimaschutz und Klimaanpassung erweitern.

Unverändert bleiben die Verfahren: Ein Zertifizierungsgesuch wird national einheitlich von den Energiefachstellen des Standortkantons geprüft und genehmigt. Zugelassene Nutzungstypen sind wie bisher Wohnhäuser, Schulhäuser, Bürobauten, Pflegezentren, Sportstätten und Spitäler. Erhalten bleiben Minergie-Merkmale wie eine hohe Energieeffizienz sowie ein hoher Wohn- und Betriebskomfort – im Winter und Sommer. Die in Aussicht gestellte Auszeichnung zu Minergie-Arealen sieht zusätzlich eine Bewertung des Aussenraums und des Mobilitätskonzepts vor. Die bekannten Vorzüge des Minergiestandards bleiben insofern:

  • eine Qualitätssicherung für Bau und Betrieb von energieeffizienten Gebäuden
  • ein finanzieller und immaterieller Mehrwert für private und öffentliche Immobilien.  

Strenger als die Bauvorschriften

Die Basis von energieeffizienten Gebäuden bildet eine gut gedämmte Aussenhülle und eine effiziente Wärmeversorgung. Im Vergleich zu den kantonalen Bauvorschriften sind die Minergie-Kennwerte strenger. Die Limite für den Heizwärmebedarf ist zum Beispiel rund einen Viertel niedriger als der gesetzliche Mindeststandard. Neben einer sparsamen Wärmebilanz wird aber auch eine hohe Gesamtenergieeffizienz verlangt. Hierzu wird bewertet wie hoch der Energiebedarf für Haustechnik, Warmwasser und Elektrogeräte im Wohnbereich oder die Beleuchtung und Haushaltsgeräte sind. Dieselben Berechnungsgrundlagen werden auch für eine Kategorisierung gemäss dem Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) verwendet,  

Zwingend ist für das Minergiezertifikat ein kontrollierter, mechanischer Luftwechsel verlangt, wobei verschiedene Systeme mit optimierbarem Installationsaufwand verfügbar sind. Für die Variante «Minergie-P» sind höchste Anforderungen an eine dichte Gebäudehülle zu erfüllen. «Minergie-A» schreibt vor, vor Ort mehr Energie selbst zu erzeugen als im Jahresbedarf ausgewiesen wird.

Wärme und Strom aus fossilfreien Quellen

Eine weitere Hauptanforderung ist: Wärme und Strom aus fossilfreien Quellen. Heizung und Wassererwärmung können mit Biomasse, Solarenergie und/oder Umgebungswärme (Aussenluft, Erdreich) lokal versorgt werden. Anschlüsse an einen klimafreundlichen Wärmeverbund werden ebenfalls akzeptiert. Obwohl ein Anschluss an das öffentliche Stromnetz zur generellen Pflicht gehört, verlangt Minergie eine höhere Eigenstromproduktion. Hierfür soll das lokale Solarpotenzial stärker ausgenutzt werden. Ein Minergiehaus wird nach den neuen Regeln die gesamte Dachfläche mit Solarpanels bestücken müssen.

Weil auch die Erstellung von Gebäuden treibhausgasrelevant ist, führt Minergie erstmals einen Grenzwert für indirekte produktionsbedingte CO2-Emissionen ein. 

Keine Überhitzungsgefahr

Die Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz werden ebenfalls erhöht: Damit dichte Minergie-Gebäude auch den klimatischen Veränderungen widerstehen, benötigen sie fast zwingend eine Geocooling-System. In der Planung muss zudem darauf geachtet werden, dass ein ausserordentlicher Hitzesommer als alltägliches Betriebsszenario berücksichtigt wird.

Um einer Abweichung zwischen erwarteter und effektiver Energieeffizienz respektive des theoretischen und praktischen Nutzerkomforts entgegenzuwirken, bietet der Verein «Minergie» mehrere Zusatzoptionen für die Nachkontrolle und zum Monitoring an: Die Minergie-Qualitäts-Sicherung (MQS) Bau umfasst ein Kontroll- und Dokumentationskonzept für die Bauausführung. Unter anderem sind sämtliche Bauprodukte nach Anlieferung auf der Baustelle per Augenschein zu überprüfen; ebenso sind die Inbetriebnahme und die Instruktion der gebäudetechnischen Anlagen schriftlich zu protokollieren. Demgegenüber setzt die Standardoption «MQS Betrieb» eine systematische Qualitätskontrolle im Betrieb voraus. Das dazugehörige Zusatzzertifikat wird erst nach mehrjährigem Energiemonitoring überreicht.

Zur Qualitätssicherung gehört auch, dass der Verein «Minergie» unter anderem Architekten, Gebäudeplaner, Gebäudetechniker und Installateure als Fachpartner akkreditieren kann. Solche Fachpersonen und Firmen sind auf der Webseite von Minergie abrufbar.

Unabhängig davon, ob ein Gebäude als Ganzes zertifiziert wird, lassen sich einzelne Bauteile und Komponenten als geprüfte Minergie-Module verwenden. Zu den funktionalen Modul-Kategorien gehören Fenster, Türe, Wandsystem und Dachaufbau, kontrollierte Lüftungsanlage, Beleuchtung, Gebäudeautomation und sommerlicher Wärmeschutz. Am Markt verfügbare Produkte mit Minergiezertifikat sind ebenfalls auf der Webseite des Minergievereins aufgeführt.

Option 1: Niedrigstenergie mit Minergie-P

Minergie-P ist die Gebäudestandardvariante, die ursprünglich vom Passivhaus-Konzept abgeleitet wurde. Der Energiebedarf lässt sich soweit reduzieren, als die Sonne selbst eine passive Wärmequelle ist. Dies gelingt unter anderem mit grossen, nach Süden ausgerichteten Fenstern, einer kompakten Gebäudeform sowie einer optimal gedämmten, luftdichten Aussenhülle. Zu den realisierten Beispielen gehören Einfamilienhäuser, die nur mit einem kleinen Einzelraumofen beheizt werden müssen. Der Energiebedarf ist zwei Drittel niedriger als der gesetzliche Neubaustandard. Eine Zertifizierung des Minergie-P-Standards ist für Neubauten und Gebäudesanierungen möglich.

Die Voraussetzungen für die Realisierung eines Minergie-P-Gebäudes sind gemäss dem bis Herbst 2024 gültigen Reglement:

  • Kompakte, gut gedämmte und dichte Gebäudehülle (u.a. Luftdichtheitstest)
  • minimale Eigenstromproduktion (gemäss MuKEn 2014)
  • Neubauten ohne fossile Brennstoffe
  • der Einsatz effizienter Beleuchtung, Geräte und allgemeiner Gebäudetechnik
  • kontrollierter Luftwechsel
  • sommerlicher Wärmeschutz
  • Energie-Monitoring für grosse Gebäude (ab 2000 m2 EBF)

Option 2: Eigenversorgung mit Minergie-A

Der Gebäudestandard «Minergie-A» erweitert die Palette mit einer Eigenversorgung aus erneuerbaren Energiequellen. Die positive Energiebilanz bezieht sich auf den Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser und den Strombedarf für die Gebäudetechnik, mechanische Lüftung, die Beleuchtung und die Haushaltsgeräte. In der Regel lässt sich ausreichend Strom aus Solarenergie lokal produzieren, so dass in der Jahresbilanz eine schwarze Null erreicht werden kann. Häuser mit Minergie-A-Zertifikat sind aber weiterhin an das öffentliche Elektrizitätsnetz angeschlossen. Für eine Zertifizierung muss das Ergebnis eines mehrjährigen Energie-Monitorings abgewaret werden.

Für die energetische Eigenversorgung gemäss Minergie-A-Standard (und dem bis Herbst 2024 gültigen Reglement) hat folgende bauliche und technische Aspekte zu berücksichtigen:

  • Niedrigstenergiestandard: kompakte, gut gedämmte, dichte Gebäudehülle
  • kontrollierte Lufterneuerung, sommerlicher Wärmeschutz
  • Lokale Energieproduktion, zum Beispiel mit einer Photovoltaikanlage; Wärme- oder Stromspeicher; internes Lastmanagement (ev. mit Elektroauto)
  • In der Regel ohne fossile Feuerung, mit Ausnahme von Fernwärme für die Notversorgung.

Bauökologie: Zusatz «ECO» für alle Varianten

«ECO» ist ein Zusatz für das Minergie-Label, das auf ökologischen Anforderungen an Baustoffe und deren Produktion beruht. Unter anderem sind strenge Grenzwerte für indirekte Treibhausgasemissionen sowie für eine geringe Schadstoffbelastung der Raumluft einzuhalten. Weitere ECO-Kriterien sind eine flexible, einfach rückbaubare Konstruktion, ein hoher Tageslichteinfall oder das Verwenden von rezyklierten Baustoffen. Mit der Reform des Minergiestandards per Herbst 2023 wird auch das ECO-Nachweisverfahren wesentlich vereinfacht.

Die ECO-Anforderungen (gemäss dem bis Herbst 2024 gültigen Reglement) an eine gesundheitsfördernde Bauweise sind:

  • gute Tageslichtverhältnisse
  • geringe Lärmimmissionen
  • geringe Schadstoffbelastung der Raumluft
  • geringe Immission durch Elektrosmog und Radon

Die ECO-Anforderungen (gemäss dem bis Herbst 2024 gültigen Reglement) an eine Ressourcen schonenden Bauweise sind:

  • nachwachsende Rohstoffe, hoher Anteil an wiederverwendeten Baustoffen wie Recyclingbeton
  • Bilanzierung der grauen Energie: geringe Umweltbelastung bei Herstellung und Verarbeitung der verwendeten Baustoffe
  • Geringe Schadstoffemission von Oberflächen und Materialien für Roh- und Innenausbau
  • einfach rückbaubare Konstruktionen

Minergie nach Sanierung: systematische Lösungen

Das Minergie-Zertifikat wird auch an energetisch erneuerte Gebäude verliehen: Mehrere Kantone sehen dafür zusätzliche Förderbeiträge vor. Das Nachweisverfahren kann vereinfacht werden, wenn bei der Planung folgende Systemvarianten ausgewählt werden:

  • Für ungedämmte Bauten: spezifische Anforderungen an die Wärmedämmung einzelner Bauteile respektive der Gebäudehülle; erneuerbare Energien zum Heizen; Solaranlage zur Stromproduktion empfohlen.
  • Für teilweise erneuerte und jüngere Bauten: reduzierte Anforderungen an die Wärmedämmung der Gebäudehülle; erneuerbare Wärmeerzeugung.
  • Für Reihenhäuser: keine Wärmedämmung vorgegeben bzw. Anforderungen an Innendämmung; erneuerbare Wärmeerzeugung.

Minergie auch für Areale 

Weil der Bund aus der Trägerschaft für «2000-Watt-Areale» aussteigt, springt der Verein Minergie in die Lücke. Ab Herbst 2023 wird das Minergiezertifikat erstmals auf Areale aufgeweitet. Als Minimalbedingung gilt, dass neue oder erneuerte Gebäude einzeln zertifiziert sind. Zusätzlich sind Anforderungen an das Energiemonitoring und das Quartiermanagement zu erfüllen. Zum Pflichtprogramm für Minergie-Areale gehören grüne, hitzemindernde Aussenräume und ein ökologisches Mobilitätskonzept.

Häufige Fragen

  • Artikel von:
  • Minergie und hausinfo
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